Symphoniker Bruch
Geigerin Bomsori Kim musizierte in Wien das unverwüstliche Max-Bruch-Violinkonzert mit fokussierter Dringlichkeit – und hochtourigem Vibrato.
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Drohen der alten Tante Klassik tatsächlich Siechtum und Tod, wie seit ewigen Zeiten geunkt wird? Schaut nicht danach aus. Die Auslastung der Staatsoper erinnert an das Ergebnis von ÖVP-Obmannwahlen. Und auch bei der Sonntagsmatinee der Symphoniker im Konzerthaus: dicht besetzte Reihen und ein Publikum, das am Ende völlig aus dem Häuschen war. Und das bei einem Programm, wie es traditioneller nicht sein könnte: Ouvertüre, Instrumentalkonzert, Symphonie.

Es war aber auch echt super. Zuerst die professionell-charmante Einleitungsmoderation von Barbara Rett, dann das großartige Hausdebüt von Bomsori Kim mit Bruchs erstem Violinkonzert. Die Südkoreanerin präferierte die Attacke, den Zug nach vorn, musizierte mit fokussierter Dringlichkeit und oft hochtourigem Vibrato. Nach tränenflussfördernden Momenten der Nachdenklichkeit im Adagio zündete die 34-Jährige im Finalsatz den Turbo. Sind romantische Geigenkonzerte die schönste Form von Eskapismus? Ja.

Kim harmonierte auch gut mit der Dirigentin des Konzerts, Anja Bihlmaier. Die kurzfristig für Han-Na Chang eingesprungene Deutsche liebte es straff und streng: deutsche Kapellmeisterinnenschule, sozusagen. Kompakt und eckig das Gewitter in Rossinis Ouvertüre zu Guillaume Tell, die mit einer Demonstration kammermusikalischer Makellosigkeit der tiefen Streicher – allen voran Solocellist Christoph Stradner – begonnen hatte. Nach der Pause ließ Bihlmaier Dvořáks Neunte wie einen Western ablaufen, mit Lagerfeuerromantik, Trompetendramatik und handfesten heldenhaften Kämpfen. Wie gesagt: äußerst lebendig, das Ganze. (Stefan Ender, 29.4.2024)