Ein Mann steht in Tel Aviv auf der Straße vor einem zerstörten Geschäft, das von einer Hamas-Rakete getroffen worden ist.
Mit tausenden auf Israel abgefeuerten Raketen – hier ein Bild aus Tel Aviv – begann am 7. Oktober der terroristische Überfall der Hamas. Eine Österreicherin kommentierte das auf Facebook mit "Free Palästina. Endlich! Danke, Gott".
AFP / JACK GUEZ

Wien – Welche Vorstellungen man auch von radikalislamischen Terrorfreundinnen haben mag, Frau K. sieht jedenfalls nicht wie eine solche aus, als sie vor Richterin Sonja Weis Platz nimmt. Die 24-Jährige trägt keinen Hijab, kein Kopftuch, kein Palästinensertuch, es gibt überhaupt keinen Hinweis auf ihre religiösen oder politischen Überzeugungen. Und doch drohen der Unbescholtenen zwei Jahre Gefängnis wegen der "Gutheißung terroristischer Straftaten", da sie am 7. Oktober 2023 einen Beitrag der Zeit im Bild im "sozialen" Netzwerk Facebook mit einem Posting kommentiert hat.

Konkret schrieb die gebürtige Österreicherin zu einem gut eineinhalbminütigen Video mit dem Titel "Hamas greift Israel an" den Kommentar: "Free Palästina! Endlich. Danke, Gott." Aus Sicht des Staatsanwalts eine moralische Unterstützung des mörderischen Angriffs der radikalislamischen Terrororganisation auf Israel und eine "Aufstachelung" zu Hass. Aus Sicht der Verteidigerin eine "euphemistische Äußerung", die weder objektiv noch subjektiv den Tatbestand erfülle. Ihre Mandantin habe, wie offensichtlich viele Internetnutzer, egal ob aus der Generation Z oder älter, "einen völlig unüberlegten, völlig uninformierten" Kommentar veröffentlicht, argumentiert sie.

Videokonsum und Posting neben Plauderei

Dementsprechend bekennt sich die junge Frau, die knapp vor dem Abschluss zweier anspruchsvoller Studien steht und nebenbei arbeitet, "nicht schuldig". Sie sei damals mit Kolleginnen zusammengesessen, man habe Serien geschaut und geplaudert. Nebenbei habe sie auf ihrem Handy gesurft, das Video sei in ihrem Facebook-Feed aufgetaucht. "Ich habe nur ein paar Sequenzen gesehen und den Text darunter nicht genau gelesen", behauptet die 24-Jährige.

"Ich verstehe es nicht ganz. Sie quatschen nett mit Ihren Kolleginnen, und dann poppt das Video auf, und Sie posten etwas dazu. Was denken Sie, wurde da gerade berichtet? Dass sich die Hamas mit den Siedlern verbrüdert?", will die Richterin wissen. "Ich dachte, es ist Frieden und das Land wurde befreit", versucht es die Angeklagte. "Welches Land? Und von wem befreit?", bohrt Weis nach. Antwort erhält sie keine.

"Sie sind ja keine zwölf mehr, weil das gerade gefordert wird, sondern 24, da sollte man schon wissen, was man postet", hält die Richterin K. vor, die daraufhin in Tränen ausbricht. "Ich distanziere mich von jeder Terrororganisation und jeder terroristischen Straftat!", schluchzt sie. "Es ist so schlimm von beiden Seiten, dort unten herrscht ständig Krieg!"

"Extrem dummer, unüberlegter Moment"

"Sie haben aber damit 41 positive Reaktionen bekommen, der Kommentar hat also bei Menschen etwas ausgelöst", merkt die Richterin an. "Warum muss man mit sowas immer gleich in die Welt hinausgehen?", zeigt Weis gewisses Unwissen über die Wichtigkeit und Selbstzentriertheit von Nutzerinnen und Nutzern dieser Plattformen. "Es war einfach ein extrem dummer, unüberlegter Moment!", beteuert die Angeklagte.

Der Staatsanwalt wiederholt die Frage der Richterin: "Welches Land muss von wem befreit werden?", will er wissen. "Ich wusste nur, dass Palästina seit ein paar Jahren besetzt ist, aber nicht, von wem", gibt K. sich ahnungslos. Sie habe durch Studium und Nebenjob keine Zeit, sich im Detail mit Politik zu beschäftigen, und habe sich erst nach Zustellung des Strafantrages näher über die Thematik informiert, behauptet sie.

"Ihre Verantwortung überzeugt mich nicht", hält ihr der Ankläger in seinem Schlussplädoyer vor. "In dem Beitrag geht es von A bis Z um einen terroristischen Angriff." Er wisse auch nicht, wie man "Endlich. Danke, Gott" anders interpretieren könne, als er es in der Anklage gemacht habe. "Worte können leider in anderen Menschen sehr viel Wut und Hass auslösen", was dann in weiterer Folge zu Angriffen gegen die jüdische Gemeinschaft auch in Österreich führe.

Weinende Angeklagte

"Es tut mir extrem leid, was ich geschrieben habe, und wünschte, ich könnte es ungeschehen machen. Ich distanziere mich ausdrücklich von jeder terroristischen Organisation und jeder terroristischen Straftat!", erklärt die Angeklagte neuerlich unter Tränen.

Die Richterin verurteilt sie dennoch zu drei Monaten bedingter Haft. "Auch Sie wissen, was in Israel und Palästina passiert ist und passiert. Und in dem Beitrag ist ganz klar erkennbar, dass da ein furchtbarer Terroranschlag passiert", begründet Weis ihre Entscheidung. "Ihre Äußerung kann man nicht falsch verstehen, das ist keine euphemistische Äußerung", widerspricht sie der Verteidigerin. Zumindest ein bedingter Vorsatz habe bestanden.

"Der Strafrahmen beträgt bis zu zwei Jahren. Was ich Ihnen schon glaube, ist, dass es Ihnen leidtut. Die Strafe an sich ist zu wenig, aber aus spezialpräventiven Gründen in Ihrem Fall möglich und ausreichend. Aus generalpräventiven Gründen hätte man sie verdreifachen müssen", erklärt die Richterin noch. Nach mehrminütiger Beratung mit ihrer Rechtsvertreterin akzeptiert K. diese Entscheidung, da auch der Staatsanwalt einen Rechtsmittelverzicht abgibt, ist das Urteil rechtskräftig. (Michael Möseneder, 25.4.2024)