Was passiert nach dem Konkursantrag von René Benkos Signa-Holding mit den dort geparkten Anteilen an Österreichs größter Tageszeitung "Kronen Zeitung" und am "Kurier"? Dafür haben Benko und die deutsche Mediengruppe Funke Regelungen vereinbart, als Funke der Signa 2019 fast die Hälfte ihrer Anteile an den beiden österreichischen Medien verkaufte. Dem STANDARD liegen diese Vereinbarungen vor. Der Funke-Gruppe räumt sie sehr starke Rechte ein. Auch für die Zahlungsunfähigkeit eines Gesellschafters gibt es dort eine Regelung.

Collage: René Benko vor Titelseite der
Regeln für den Fall des Falles von René Benko stehen in den Satzungen der gemeinsamen Gesellschaft von Funke-Gruppe und Signa-Holding.
Reuters, Kronen Zeitung, Collage: DER STANDARD Lukas Friesenbichler

Die Ausgangslage bei der "Krone" und Benkos Notausgang

Die deutsche Funke-Gruppe lag seit Jahrzehnten im erbitterten Streit mit den österreichischen Miteigentümern von Österreichs mächtigster Tageszeitung, der Familie Dichand. Je 50 Prozent halten Funke und Dichands an der "Krone", und doch ist das kein ausgeglichenes Verhältnis. Weil die Funkes 1988 unbedingt bei dem damals höchst gewinnträchtigen österreichischen Kronjuwel einsteigen wollten, räumten sie den Dichands weitreichende Vorrechte ein: garantierte Gewinne von heute um zehn Millionen Euro pro Jahr unabhängig vom tatsächlichen Geschäftsgang, für die die deutschen Gesellschafter sorgen müssen, wenn die "Krone" sie nicht abwirft. Die Dichands haben aber auch Vorrechte in der Redaktion und beim Personal. Diese Vorrechte versuchte und versucht die Funke-Gruppe über dutzende Schweizer Schiedsverfahren zu kippen – bisher ohne Erfolg.

Immobilienmilliardär René Benko schien der Funke-Gruppe, des kostspieligen Streitfalls Österreich merklich leid, einen Notausgang aus dem Wiener Engagement zu zeigen: Seine Signa-Holding zahlte kolportiere 80 Millionen für knapp weniger als die Hälfte der Funke-Anteile an der "Kronen Zeitung" sowie am "Kurier", an dem Raiffeisen eine knappe Mehrheit hält. Benko übernahm in einem vermeintlich ersten Schritt nur 49 Prozent der Funke'schen Österreich-Beteiligungen, weil sonst weitere Dichand-Vorrechte berührt würden: Wenn jemand anderer bestimmenden Einfluss auf die Funke-Beteiligung an der "Krone" übernimmt, haben die Dichands ein Vorkaufsrecht.

Nicht die Vorrechte fielen, sondern die Signa

Aber: Benko vereinbarte nach STANDARD-Informationen aus mehreren Quellen mit dem Einstieg eine Option auf die übrigen Funke-Anteile an "Krone" und "Kurier" für weitere rund 80 Millionen Euro, sobald die Vorrechte der Dichands fallen. Allein: Nicht die Vorrechte fielen, jedenfalls nicht, bevor Benkos Signa-Imperium in sich zusammenfiel.

Bei der Gelegenheit stellte sich heraus: Die Signa hatte die Bewertung der Beteiligung an den beiden Medien in ihren Büchern von ursprünglich 90 Millionen auf 45 Millionen halbiert.

Der Sanierungsverwalter der Signa Holding kündigte schon an, er wolle die Medienbeteiligungen verwerten. Kolportiert wird Interesse der Familie Dichand und von Raiffeisen, die Anteile Benkos und jene der Funke-Gruppe an "Krone" beziehungsweise "Kurier" zu übernehmen. Dieses Interesse soll auch schon bei der Signa-Holding deponiert worden sein. Aber: Nach den dem STANDARD vorliegenden Regelungen mit der Funke-Gruppe dürfte die Signa-Holding da nicht viel zu sagen haben.

Regeln für den Fall des Falles von René Benko

Gesellschaftervertrag und Satzungen der gemeinsamen Gesellschaft von Funke-Gruppe und Signa regeln – nicht ganz überraschend – auch den Fall der Fälle. Am 2. Jänner 2019 wurden sie mit Benkos Einstieg formuliert. In der seither gemeinsamen Gesellschaft WAZ Ausland Holding sind die Österreich-Medienbeteiligungen der Funke-Gruppe gebündelt: die knapp unter 50 Prozent am "Kurier" direkt, die 50 Prozent an der "Krone" über eine Zwischengesellschaft. Stammkapital 25.300 Euro.

Verfügung über Geschäftsanteile, Verkauf, Belastung sowie Einräumung von Rechten Dritter hinsichtlich der von der Gesellschaft an den österreichischen Medienbeteiligungen mittelbar oder unmittelbar gehaltenen Geschäftsanteile erfordern laut diesen Satzungen die Einstimmigkeit unter den Gesellschaftern. Ebenso Änderungen von Gesellschaftervereinbarungen, etwa über Vorkaufsrechte, Stimmrechte, Aufgriffsrechte, Kündidungsregelungen oder auch neue Machtverhältnisse in der Gesellschaft.

"Einziehung" im Insolvenzfall

Paragraf 13 der Vereinbarung regelt die "Verfügung über Geschäftsanteile". Dort heißt es wörtlich: "Jede entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung von Geschäftsanteilen der Gesellschaft oder Teilen davon sowie jede sonstige Verfügung über Geschäftsanteile oder Teile davon" brauche die vorherige schriftliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung.

Der nächste Paragraf regelt die "Einziehung" von Anteilen an der Gesellschaft. Unter Punkt zwei steht: "Ein Geschäftsanteil kann ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters eingezogen werden". Zum Beispiel, wenn "über das Vermögen des betroffenen Gesellschafters rechtskräftig ein Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse rechtskräftig abgelehnt wurde".

Eine Beteiligung kann auch "eingezogen" werden, wenn die Anteile "von einem Gläubiger des jeweiligen Gesellschafters gepfändet oder Gegenstand einer Zwangsvollstreckung" wurden.

Eingezogene Anteile werden nach Verkehrswert abgerechnet

Über eine solche Einziehung entscheidet die Gesellschafterversammlung der WAZ Ausland Holding, zumindest 75 Prozent der abgegebenen Stimmen müssen dafür stimmen. Dabei gilt: "Der betroffene Gesellschafter hat kein Stimmrecht beim Beschluss über die Einziehung." Wenn die bei der Signa liegenden Anteile an der gemeinsamen Gesellschaft nicht mitstimmen dürfen, hat die Funke-Gruppe hier 100 Prozent der Stimmrechte.

Der Besitzer der eingezogenen Anteile hat laut Gesellschaftervertrag und Satzung einen Anspruch auf 60 Prozent des Verkehrswerts seiner Anteile an der Gesellschaft. Ermittelt wird der Verkehrswert laut Vereinbarung nach dem letzten konsolidierten Jahresabschluss der Gesellschaft vor dem Beschluss über die Einziehung.

Nun 25 Millionen Euro Verlust nach knapp einer Million Ergebnis

Der gemeinsame "Krone"-"Kurier"-Verlag Mediaprint hatte im aktuellsten im Firmenbuch vorliegenden Geschäftsjahr 2021/22 mit rund 400 Millionen Euro Umsatz ein Ergebnis vor Steuern von 982.640,31 Euro und einen Bilanzgewinn von rund 157.000 Euro. Gewinne der Mediaprint gehen zu 70 Prozent an die "Krone" und zu 30 Prozent an den "Kurier". Die deutsche Holding für die Österreich-Beteiligungen bekommt fast 50 Prozent der auf den "Kurier" entfallenden Gewinne und 50 Prozent der "Krone"-Gewinne. Sie oder ihre Eigentümer müssen aber den Dichands laut Rahmenvereinbarungen aus den späten 1980ern den garantierten Gewinn von jährlich rund zehn Millionen Euro überweisen.

Das klingt nicht nach einem gewinnträchtigen Jahresabschluss für die WAZ Ausland Holding. Und im folgenden Geschäftsjahr 2022/23 schloss die Mediaprint laut einer internen Information des Managements mit 25 Millionen Euro Verlust ab.

Kein Kommentar aus Essen

Nach unbestätigten STANDARD-Informationen soll eine solche "Einziehung" der Signa-Anteile an der WAZ Ausland Holding bisher noch nicht stattgefunden haben. Auf Anfrage bei der Essener Funke-Gruppe wollte man das ebenso wenig kommentieren wie die Bestimmungen aus dem Gesellschaftervertrag mit Benkos Signa von Anfang 2019 darüber. Die Bestimmungen lassen sich mit ein bisschen Stöbern im deutschen Handelsregister finden.

Wie kann es weitergehen?

Die Funke-Gruppe hat also starke Aufgriffsrechte für die Anteile der Signa-Gruppe, die Regelungen und die Lage der Beteiligungen in Österreich deuten auf einen eher überschaubaren Preis hin. Die deutsche Mediengruppe könnte also die Anteile erst einmal übernehmen oder "einziehen".

Familie Dichand und Raiffeisen zeigen sich laut mehreren mit der Sachlage vertrauten STANDARD-Quellen interessiert an einer Übernahme der Anteile an "Krone" einerseits und "Kurier" andererseits. Sollte das kartellrechtlich möglich sein, wäre auch eine Beteiligung von Raiffeisen an der "Krone" denkbar. Der bürgerliche Finanz- und Industriekonzern mit bäuerlich-genossenschaftlichem Hintergrund interessiert sich schon seit Jahrzehnten immer wieder für Anteile an Österreichs noch immer mächtigem Kleinformat, mit dem man in der Mediaprint längst in einem Boot sitzt. Die Dichands könnten sich im Gegenzug am "Kurier" beteiligen – ihr Wollen und das der Kartellbehörden und Gerichte vorausgesetzt.

Sobald die Funkes die bestimmende Mehrheit an ihren Anteilen bei "Krone" und "Kurier" abgeben, haben Dichands beziehungsweise Raiffeisen nach aktuellen Verträgen ein Vorkaufsrecht. Man müsste sich mit den Funkes über einen Preis verständigen, bisher dürfte das die entscheidende Hürde in den Gesprächen sein.

Update: Raiffeisen-Chef bestätigt Kauf-Interesse

Update: Im Klub der Wirtschaftspublizisten bestätigte Raiffeisen-Holding-CEO Michael Höllerer nach Erscheinen dieses Beitrags das Interesse Raiffeisens an Anteilen, die bisher Signa beziehungsweise Funke-Gruppe gehören. Raiffeisen sei "grundsätzlich interessiert". Ob dieses Interesse nur auf den Anteilen am "Kurier" gilt oder – wovon nach STANDARD-Infos auszugehen ist – auch auf Anteile an der "Krone", ließ Höllerer im Klub der Wirtschaftspublizisten offen.

Schiedsgerichte und Preisfragen

Eine entscheidende Rolle für den weiteren Verlauf könnte ein anhängiges Schiedsverfahren zwischen Funke und Dichands sein. Die Funke-Gruppe hat, DER STANDARD berichtete, die Rahmenvereinbarungen mit den Dichands über Garantiegewinne und andere Vorrechte ein weiteres Mal gekündigt. Die Dichands fechten die Kündigung neuerlich an. Bisher war ihre Anwältin Huberta Gheneff in rund einem Dutzend Schiedsverfahren erfolgreich. Würden die Vorrechte nun doch – und entgegen der bisherigen Spruchpraxis – fallen, würde das die Position der Funke-Gruppe deutlich stärken.

Parallel läuft eine Handvoll Schiedsverfahren der Dichands gegen die Funke-Gruppe, weil diese die Ausschüttung von Gewinnen seit mehreren Jahren blockiert, und damit auch die Auszahlung der Garantiegewinne an die Dichands. In einem Verfahren über das Geschäftsjahr 2018/19 bekamen die Dichands bereits recht, Anfang 2023 wurde der Garantiegewinn plus Zinsen, kolportiert mehr als zehn Millionen Euro, aus Essen überwiesen. Für die weiteren Jahre bemühten sie ebenfalls Schiedsgerichte.

Bekommen die Dichands dort weiterhin recht, können da rasch 40, 50 oder mehr Millionen Ansprüche gegen die Funke-Gruppe zusammenkommen. Diese Summen dürften dann schon ein Stück über den Preisvorstellungen der Dichands für die Funke-Anteile an der "Krone" liegen. (Harald Fidler, 22.4.2024)