In internationalen Medien wird Österreich gern wie ein Schlaraffenland des Wohnens dargestellt – immerhin gibt es hier einen historisch gewachsenen Wohnbau, mit dem der Anstieg der Wohnkosten in den letzten Jahren zumindest abgefedert werden konnte. Wie es um den sozialen Wohnbau hierzulande aber tatsächlich bestimmt ist, hängt immer davon ab, wen man fragt.

Beim liberalen Thinktank Agenda Austria kommt man in einer aktuellen Studie zum Schluss, dass rund drei Viertel der Mieterhaushalte hierzulande von einer Form der Mietenregulierung profitieren – entweder weil es sich um sozialen Wohnbau oder um den preisgedeckelten Altbau handelt. Hier sei das Wohnen deutlich günstiger, im Gemeindebau und bei Genossenschaften würden Bewohnerinnen und Bewohner sich über 30 Prozent an Miete im Vergleich zum freien Markt sparen.

Allerdings mangle es an der sozialen Treffsicherheit, unter anderem, weil die ohnehin recht großzügigen Einkommensgrenzen im sozialen Wohnbau nur beim Einzug gelten – und das Einkommen danach nie wieder überprüft wird. "Im Grunde ist es eine Lotterie", sagt Agenda-Austria-Ökonom Jan Kluge. Wer im preisregulierten System unterkommt, sei nicht unbedingt bedürftig – und viele Haushalte, die tatsächlich bedürftig wären, sind auf den freien Markt angewiesen.

Der Karl-Marx-Hof ist einer der größten Gemeindebauten Wiens.
HERBERT NEUBAUER / APA / picture

Ökonom Kluge schlägt daher zum Beispiel vor, dass man im Gemeindebau alle fünf Jahre das Einkommen überprüft. Wer zu viel verdient, müsse dann aber nicht ausziehen, sondern, mit gewissen Einschleifregeln, künftig eine "faire Miete" bezahlen, sagt Kluge. "Es ist eine Leistung der Gesellschaft, die ich empfange", sagt der Ökonom, "und wie bei allen anderen Leistungen muss ich die Bedürftigkeit auch nachweisen können."

Salzburger Modell

Bei der Wiener SPÖ hat man solchen Vorschlägen bereits in der Vergangenheit immer wieder eine Abfuhr geteilt. In der Stadt Salzburg hat man genau das aber unter einem SPÖ-Bürgermeister 2006 bei Neuvermietungen eingeführt. Alle zehn Jahre müssen Mieterinnen und Mieter von Gemeindewohnungen ihr Haushaltseinkommen seither offenlegen. Sie zahlen im Gemeindebau den Salzburger Richtwert, der aktuell bei 9,22 Euro liegt, minus einem Abschlag von 30 Prozent.

Wer nach zehn Jahren mehr verdient oder die nötigen Unterlagen nicht liefert, der musste bis 2019 fortan den regulären Richtwert berappen. Seit 2019 und einer Änderung der Vergaberichtlinien werden neue Mietverträge in den städtischen Gemeindewohnungen nur noch auf zehn Jahre befristet vergeben und nur verlängert, wenn die Einkommensgrenzen – bei einer Person sind das maximal knapp 2400 Euro, zwölfmal pro Jahr – auch weiterhin eingehalten werden.

Zwischen 2016 und 2023 wurden vom Wohnservice 202 Einkommensüberprüfungen durchgeführt, heißt es auf STANDARD-Nachfrage bei der Stadt. In 25 Fällen wurden die nötigen Unterlagen nicht gebracht, die Miete daher angehoben. Und bei sechs Fällen wurde die Einkommensgrenze überschritten. Insgesamt wurde die Miete also in 31 Fällen angehoben.

Sozialer Frieden

Ein Modell wie in Salzburg, wo die soziale Bedürftigkeit nach zehn Jahren erneut nachgewiesen werden muss und andernfalls die Miete angehoben wird, klingt auch für den Wohnbauforscher Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen vernünftig. Dass das Einkommen sämtlicher Haushalte aber regelmäßig überprüft wird, sei wiederum keine gute Idee: "Das erachte ich als nicht praktikabel und stark nachteilig für den sozialen Frieden in den Häusern."

Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer, fordert eine umfassendere Betrachtungsweise des Themas. Die regelmäßigen Einkommenschecks im Wohnbau würden unter dem Deckmantel der sozialen Gerechtigkeit und Fairness gefordert. Selbiges werde aber bei der Förderung des Eigentums völlig ausgeblendet: "Es gibt wohl eine siebenstellige Anzahl an Personen in Österreich, die von der Wohnbauförderung ihrer Eigentumswohnung oder des Einfamilienhauses ein Leben lang profitieren, und die Einkommensobergrenze wird nur einmal geprüft, dann nie wieder", sagt der Jurist.

Geringverdiener würden zudem ohnehin weniger Miete zahlen als besserverdienende Nachbarn, weil sie Wohnbeihilfe erhalten. Und Besserverdienende wiederum über den in der Höhe einkommensabhängigen Wohnbauförderungsbeitrag und über die höhere Steuerlast mehr in das System einzahlen.

Michael Klien vom Wifo betont, dass knapp 40 Prozent der Bewohner von Gemeindewohnungen auf das unterste Einkommensquintil entfallen, der Gemeindebau damit also sozial sehr treffsicher sei – und dass auch der gemeinnützige Wohnbau in bestimmten Regionen, etwa im Westen des Landes, das Segment für die Einkommensschwächsten sei. Bevor man hier Hürden einführe, müsse die Politik erst definieren, welcher Zielzustand der sozialen Durchmischung zu erreichen sei.

Gute Mischung

Ökonom Kluge wiederum plädiert dafür, etwa Gemeindewohnungen an Mieterinnen und Mieter zu guten Konditionen zu verkaufen, um damit thermische Sanierung und den Neubau weiterer Gemeindewohnungen zu stemmen. "Dann gibt es an einer Stiege Leute, die weniger Miete zahlen, dann jene, die eine faire Miete zahlen, und noch einige Eigentümer. Das wäre in puncto soziale Durchmischung eine gute Sache."

Auch das Thema Förderung sollte laut Studie der Agenda Austria neu gedacht werden und von der derzeit gängigen Objektförderung in eine Subjektförderung übergegangen werden, um Mieterinnen und Mieter direkt zu unterstützen. Und das Mietrecht sei neu aufzusetzen und ein Vergleichsmietensystem zu etablieren, um den Neubau anzukurbeln. (Franziska Zoidl, 20.4.2024)