In Österreich kann es, wenn man sich nicht auf eine einvernehmliche Scheidung einigt, vor Gericht immer noch darauf ankommen, wer dem anderen wann und was Böses getan hat. Sprich, es gilt in Österreich nach wie vor das Verschuldensprinzip. Stellt ein Gericht fest, dass ein Eheteil allein beziehungsweise überwiegend schuld ist am Scheitern der Ehe, kann das finanzielle Folgen haben. Besonders bei großen Einkommensunterschieden zwischen den Eheleuten kann es Auswirkungen auf einen etwaigen nachehelichen Unterhalt haben. Aber: Damit ein Gericht ein überwiegendes Verschulden einer Seite feststellt, muss das Verschulden eines Gatten erheblich schwerer wiegen als das des anderen und dessen minderes Verschulden fast völlig in den Hintergrund treten.

Was kann eine Eheverfehlung sein?

Eheverfehlungen sind Handlungen oder auch Unterlassungen, die gegen das Wesen und die damit verbunden Pflichten der Ehe gerichtet sind. Eine Eheverfehlung gilt dann als schwer, wenn sie, unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse und dem Umfeld des Paares, auch bei einer Person, die grundsätzlich wohlwollend ist zu einer völligen Entfremdung führen würde. Die ehelichen Pflichten, die in dem Zusammenhang besonders relevant sind, sind die Pflicht zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, die Pflicht zur Treue, zur anständigen Begegnung, zum gemeinsamen Wohnen sowie die Beistandspflicht. Das Gesetz nennt als Beispiele für eine schwere Eheverfehlung die Zufügung körperlicher Gewalt und schweren seelischen Leides sowie Ehebruch. Gewalt ist in jeglicher Form verboten in der Familie, es kommt nicht darauf an, dass eine gewisse Schwere erreicht wird.

Hat ein Eheteil durch eine schwere Eheverfehlung die Ehe so tief zerrüttet, dass die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann, hat der andere Gatte die Möglichkeit auf Scheidung zu klagen. Es braucht also einerseits eine schwere Eheverfehlung, die schuldhaft gesetzt wurde und andererseits die Zerrüttung der Ehe. Die schwere Eheverfehlung muss der Grund dafür sein, dass die Ehe am Ende ist.

Wie sieht es mit übermäßigem Alkoholkonsum aus?

Nach ständiger Rechtsprechung (RS0056311) stellt Alkoholmissbrauch grundsätzlich eine Eheverfehlung dar. Bei mehrmaliger Betrunkenheit pro Woche wird man von einem Alkoholmissbrauch ausgehen können. Interessant zu wissen ist, dass der übermäßige Konsum von Alkohol ausreicht für die Qualifikation als Eheverfehlung. Salopp gesagt: Egal ob man sich im Rausch gut oder schlecht benimmt, ist das "sich betrinken" die Eheverfehlung. Das heißt, es ist gar nicht nötig, sich im alkoholisierten Zustand dann auch daneben zu benehmen, den Hund zu verprügeln oder den Ehemann zu beschimpfen damit es als Eheverfehlung gewertet werden kann. Allein die Tatsache, dass man eben zu viel trinkt, stellt bereits die Eheverfehlung dar. Man muss das als Ehegatte nämlich nicht aushalten, dass die andere Person sich übermäßig dem Alkohol hinwendet.

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Gerade beim Thema Alkohol, kann eine Bewertung vielschichtig und schwierig werden, wenn der Alkoholmissbrauch mit dem Thema Sucht verknüpft ist. Deshalb, weil man sich darüber streiten kann, inwieweit jemandem eine Suchterkrankung vorwerfbar ist. Jedenfalls wird ein übermäßiger Alkoholkonsum dann vorwerfbar sein, wenn dieser ohne Suchtthematik erfolgt. Aber selbst, wenn jemand möglicherweise suchtkrank ist und der Alkoholmissbrauch deshalb nicht voll vorwerfbar, können das Abgleiten in die Sucht, Rückfälle oder die mangelnde Bereitschaft zur Behandlung bei der Abwägung des Scheidungsverschuldens bewertet werden (5 Ob 140/17z).

Auch das Argument, der andere Eheteil habe schon vor der Ehe gewusst, dass man gern zu tief ins Glas schaut, kam beim Obersten Gerichtshof nicht gut an (OGH 25. 5. 2020, 1 Ob 69/20h). Im konkreten Fall trank der Ehemann drei mal, zeitweise auch bis zu fünf mal pro Woche – bis zu fünf, teilweise auch bis zu zehn Biere sowie immer wieder auch Schnaps in größeren Mengen. Darüber gab es häufig Streit mit der Frau, der das missfiel. Die Ehefrau verlangte immer wieder die Einschränkung des Alkoholkonsums.

Der Ehemann argumentierte vor Gericht, er sei nicht alkoholabhängig, außerdem habe sein Alkoholkonsum keine negativen wirtschaftlichen oder sozialen Auswirkungen. Er habe weiter extrem fleißig gearbeitet und ein Eigenheim erwirtschaftet. Außerdem erklärte er, die Ehefrau habe schon zum Zeitpunkt der Eheschließung über seinen Alkoholkonsum Bescheid gewusst. Deshalb könne sie ihm den Alkoholkonsum nicht später vorwerfen. Der OGH aber ließ das Argument nicht gelten und führte aus, dass jeder Ehegatte vom Ehepartner erwarten dürfe, dass dieser Neigungen, die ein gedeihliches Zusammenleben stören, so weit als möglich unterdrückt. (Theresa Kamp, 23.4.2024)