Bei Nässe und Kälte sollte man im Protestcamp dicht an dicht liegen:
Bei Nässe und Kälte sollte man im Protestcamp dicht an dicht liegen: "Das Licht der Welt" im Burgtheater-Vestibül.
(c) Christine Miess

Es ist Spätherbst, kalt und feucht. Ein Protestcamp von Klimaaktivistinnen und -aktivisten wäre zur schönen Sommerzeit ohnehin zu idyllisch für das, was Autorin Raphaela Bardutzky in Das Licht der Welt schildert. Sie erzählt vom Ausgeliefertsein junger, sorgenvoller Menschen in einer kapitalistisch durchdrungenen Öffentlichkeit, von der Aussichtslosigkeit gegenüber einer schwachen Politik, aber auch von der bis zur Selbstverletzung reichenden Gefahr des Widerstands: Komposttoiletten, Nachtwache, Polizeigebrüll – ein Protestcamp ist keine Jugendbewegung.

Deshalb bleibt es im Vestibül des Burgtheaters, wo Das Licht der Welt soeben österreichische Erstaufführung feierte, auch zappenduster. Zwei Baumstämme liegen auf dem Boden, sonst imaginiert das bemerkenswerte Laienensemble dieser Burgtheaterstudio-Produktion (Regie: Maximilian Pellert) die von Abholzung bedrohte Umgebung im Kohleabbaugebiet im Spielen, maximal mit Stirnlampen oder Absperrbändern (Bühne: Katharina Grof). Die Bewohner des Protestcamps wollen Rodungen verhindern, ketten sich auf Schienen fest in Erwartung des Kreissägenlärms, der ihnen bei der Entfernung droht.

Anonym bleiben

Neu im Camp hinzu stößt eine junge Frau, Rabe genannt, deren Lebensplan soeben abhandengekommen ist und die sich nun in den Dienst einer zielführenden Aufgabe stellen möchte. Rabe? Anonymität ist im Aktivismus ein hohes Gut. Rabe (Pauliine Poldmaa, alternierend gespielt von Naime Bouakline) ist eine besonnene, aber gramvolle junge Frau. Jener Melo-Typ, der den Untergang des Planeten vor Augen hat und keinen Sinn darin sieht, Kinder in die Welt zu setzen.

Jedes Kind mehr bedeutet 58 Tonnen CO2 pro Jahr mehr, so ihre Rechnung. Doch dann wird sie schwanger. Und das ist in Bardutzkys schnellem, zweisprachigem Text (ein Protestcamp ist internationales Gelände) der entscheidende Knackpunkt. Er zeigt einen Menschen und seine Umgebung im Konflikt, der sich aus mehreren Ängsten speist: der Angst vor der Zukunft, vor dem Muttersein. Kurz: vor einem lebensbejahenden Schritt. Einer Abtreibung will der ungelenke Louis (Thaddaeus Tirone), mit dem sie damals Nachtwache hielt, mit dem Angebot zuvorkommen, das Kind selber alleine aufzuziehen.

Das Stück wird so zu einer präzisen Introspektion darüber, was eine junge Generation belastet und antreibt. Die Inszenierung räumt den Figuren in ihrer jeweiligen Eigenheit genug Raum ein, hält sich mit inszenatorischen Ideen aber zurück. (Margarete Affenzeller, 16.4.2024)