Ein Mann geht Stiegen bei einem Evergrand-Komplex hinauf. Im Hintergrund ist eine Karte Chinas zu sehen.
Chinas Wirtschaft will weiter hoch hinaus. Trotz überraschend starken Wachstums im ersten Quartal des Jahres drücken altbekannte Probleme à la Immobilienkrise und Bevölkerungsschwund aber aufs Gemüt.
AP/Ng Han Guan

Chinas Wirtschaft wächst – und das schneller als gedacht. Im ersten Quartal legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um satte 5,3 Prozent zu. Damit lässt das Wirtschaftswachstum zwischen Jänner und März bisherige Prognosen im Regen stehen. Ökonomen waren zuvor von rund 4,6 Prozent ausgegangen. Und auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte China erst im Februar keine allzu guten Aussichten bescheinigt, schließlich warfen die vergangenen Jahre lange Schatten auf das Reich der Mitte. Nach der strikten Null-Covid-Politik rappelte sich die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nur mühselig auf, gleichzeitig rutschte der hochverschuldete Immobiliensektor in eine tiefe Krise.

"Die heimische Nachfrage ist immer noch schwach, aber die Exporte sind gut", analysierte Raymond Yeung die am Dienstag veröffentlichten Zahlen des hiesigen Statistikamts. "Der Aufschwung wird von den Exporten getragen", so der Ökonom des Finanzhauses ANZ in Peking weiter. Elektroautos, Solarmodule, Halbleiter, Windkraftturbinen: Viele wichtige und hochgradig nachgefragte Güter fluten von China ausgehend die Weltmärkte. Vor allem in Europa und den USA sehen sich Produzenten mit den durch staatliche Unterstützung günstigen Industriegütern unter Druck gesetzt.

Exporte treiben Wirtschaft an

Was im Westen für Sorgen und verschärfte Exportbeschränkungen sorgt, dürfte in China maßgeblich für das Wirtschaftswachstum verantwortlich sein. "Die chinesische Wirtschaft wurde eher durch kostengünstige Industrieproduktion und Exporte angetrieben", bestätigte Analyst Tao Chuan von Soochow Securities in Peking. "Dies wird der Motor für die Wirtschaft in diesem Jahr sein." Ein Motor, der auch benötigt werden wird. Schließlich verfolgt die Regierung ein ambitioniertes Wachstumsziel von fünf Prozent über das Gesamtjahr. Das erste Quartal dürfte insofern Hoffnungen im Land wecken.

Trotzdem läuft es im Reich der Mitte aber bei weitem nicht so geschmiert, wie von der kommunistischen Regierung um Xi Jinping erhofft. Mehrere Indikatoren wichtiger Branchen zeigten zuletzt nach unten. Im März etwa legte die Industrieproduktion um nur 4,5 Prozent zu im Vergleich zum Vormonat, während es zu Jahresbeginn noch zu Wachstumszahlen jenseits der sieben Prozent gekommen war. Und auch die Umsätze im Einzelhandel verzeichneten schwächere Zuwächse als noch in den Monaten zuvor. Die Preise für Wohnungen und Immobilien sind indes gar so stark gefallen wie seit acht Jahren nicht mehr.

Verhaltene Reaktion an der Börse

Auch an der Börse blieben die branchenspezifischen Entwicklungen nicht unbemerkt. Sowohl die Börse Schanghai als auch der Index der wichtigsten Unternehmen in Schanghai und Shenzhen gaben am Dienstagmorgen um ein Prozent nach. "Ich denke, das starke BIP ist hauptsächlich auf den Aufschwung im Jänner und Februar zurückzuführen, während die Daten vom März weitgehend enttäuschten", erklärte Woei Chen Ho, Ökonom bei UOB, die verhaltene Reaktion an der Börse.

Zudem drücken weiter die altbekannten Probleme auf die Stimmung im Land sowie jene der Investorinnen und Investoren. Die verschuldeten Immobilienriesen Evergrande und Country Garden kämpfen weiter ums Überleben. Die Zahl der jungen Menschen ohne Job befindet sich unverändert auf Rekordhoch, während die Gesamtbevölkerung zunehmend altert und schrumpft.

Und auch die Preisentwicklungen liegen an der Schwelle zur Deflation, bergen also die Gefahr eines eingetrübten Wirtschaftswachstums in den kommenden Monaten. So lagen die Verbraucherpreise im März nur 0,1 Prozent über dem Vorjahresniveau, nachdem es im Februar noch einen Zuwachs um 0,7 Prozent gab. (dwo, APA, Reuters, 16.4.2024)