Die Raiffeisen Bank International (RBI) "wird ihre Geschäftsaktivitäten in Russland reduzieren". So steht es auf der Website der österreichischen Großbank, die als einer der letzten wichtigen Finanzakteure im Kriegsland verblieben ist. Die Raiffeisenbank werde nur "einige Bankgeschäfte in Russland aufrechterhalten, um die Bedingungen zur Aufrechterhaltung ihrer Banklizenz zu erfüllen", heißt es weiter. Erst Mitte März sagte RBI-Chef Johann Strobl einmal mehr, dass die RBI "ihre Position in Russland überdenken" werde: "Wir prüfen alle strategischen Optionen für die Zukunft der Raiffeisenbank Russland bis hin zu einem sorgfältig gesteuerten Ausstieg aus der Raiffeisenbank in Russland."

Zu diesen Ansagen passt allerdings gar nicht, was die britische "Financial Times" ("FT") aktuell berichtet. Demnach hat die Moskauer Russland-Tochter der RBI seit vergangenem Dezember mehr als 2400 Jobanzeigen in Russland geschaltet. 1500 davon würden die Bereiche Management und Kundenservice betreffen.

Ein Gebäude in Moskau, auf dessen Dach der Schriftzug für die Raiffeisenbank International in russischer Sprache leuchtet.
Die RBI sucht rund 2400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Russland – trotz des Bekenntnisses, das Geschäft zurückzufahren.
REUTERS/Tatyana Makeyeva

"Expansion der Kundenbasis"

Seit dem Überfall auf die Ukraine Anfang 2022 ist das Kreditvolumen der RBI in Russland um 56 Prozent geschrumpft; auch Kontakte zu vormaligen russischen Partnerbanken wurden gekappt. Die Texte der Anzeigen passen aber ganz und gar nicht zum weiteren Bekenntnis, das Geschäft zurückzufahren.

"Kernziel ist eine (...) Expansion der Kundenbasis", liest man in einem Inserat. In einem anderen ist davon die Rede, dass "unsere Basis an Firmenkunden aktiv erweitert" werden solle. Derartige Phrasen finden sich immer wieder in den Anzeigen, wie die "FT" berichtet. Sie fügt hinzu, dass die Gesamtzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit Kriegsausbruch gestiegen statt gesunken sei: von 9327 Ende 2021 auf 9942 Ende 2023, das entspricht einem Anstieg um 6,6 Prozent.

Debatten über Stellenanzeigen der RBI in Russland gab es in den vergangenen Jahren immer wieder. Im Juli 2022 etwa, also kurz nach Kriegsausbruch, habe die RBI knapp 300 neue Mitarbeiter gesucht, berichtete damals die Nachrichtenagentur Reuters. In der öffentlichen Debatte schlägt der RBI deshalb scharfe Kritik entgegen. Zuletzt demonstrierten am Rande der Hauptversammlung am 4. April NGOs vor der Wiener Bankzentrale gegen das umstrittene Engagement.

Bank räumt Fehler ein

Was steckt dahinter? Das Bekenntnis, das Geschäft zurückzufahren, sei unverändert, sagt RBI-Sprecher Christof Danz auf STANDARD-Anfrage. Allerdings: Man bemerke eine "hohe Fluktuation bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern". Außerdem gelte es, vor dem geplanten Verkauf der russischen RBI-Tochter die bankeigene IT autonom zu gestalten. "Es gilt, die Bank für etwaige Käufer operational zu halten." Die sei der Hintergrund der hunderten Jobanzeigen trotz Rückbaus.

Warum aber die Ansagen bezüglich Wachstums? Hier heißt es vom RBI-Sprecher, dass in einigen Anzeigen automatisiert – und irrtümlich – Textbausteine aus der Zeit vor dem Krieg verwenden worden seien. Dies sei "irreführend", räumt der Sprecher ein. Laut "FT" hat RBI-Chef Strobl eine bankinterne Untersuchung eingeleitet, wie es zu dem angeblichen Versehen kommen konnte. Die betreffenden Anzeigen würden korrigiert, zitiert die Zeitung Bankenverantwortliche.

Nicht nur in Sachen Stellenanzeigen kämpft die Bank mit Problemen, auch ein umstrittenes Tauschgeschäft sorgt für Debatten: Es geht darum, dass die RBI ihre Gewinne von insgesamt rund drei Milliarden Euro aus Russland hinausbekommt – was auf regulärem Wege aufgrund der Sanktionen nicht möglich ist. Aus diesem Grund wurde ein komplexer Plan ausgearbeitet: Im ersten Schritt verkaufte der seit zwei Jahren sanktionierte Oligarch Oleg Deripaska seine rund 28 Prozent umfassenden Anteile am Baukonzern Strabag, die er über die Rasperia Trading Limited hält, an eine russische Firma. Diese Strabag-Anteile sollen für 1,51 Milliarden Euro sodann an die russische RBI-Tochter verkauft werden. Damit die österreichische Konzernmutter das Geld bekommt, würde die russische RBI-Tochter die Strabag-Anteile als Sachdividende an die Mutter übertragen. Der Deal wird aber besonders von Vertretern des US-Finanzministeriums kritisch beäugt: Sollte er gegen US-Sanktionen verstoßen, droht als härteste Konsequenz gar ein Ausschluss aus dem US-Finanzsystem. (Joseph Gepp, Sarah Kirchgatterer, 16.4.2024)