Momentum-Leiterin Barbara Blaha
Hat der Partei vor 17 Jahren den Rücken gekehrt, weil Kanzler Gusenbauer die Studiengebühren nicht abschaffte: Barbara Blaha.
imago images/K.Piles

Als eloquente Frau mit Sendungsbewusstsein: So präsentiert sich Barbara Blaha in öffentlichen Debatten. Zu beobachten war das etwa vergangene Woche bei der Präsentation des vom Sozialministerium herausgegebenen Sozialberichts. Auf dem Diskussionspodium hielt die Leiterin und Gründerin des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts, das sich als "progressives" Gegengewicht zu wirtschaftsliberalen Thinktanks versteht, ein engagiertes Plädoyer für Vermögensbesteuerung.

So jemand passt gut in das Profil, das Andreas Babler für seine SPÖ vorschwebt. Der Parteichef würde die 40-Jährige gerne als Kandidatin für den Nationalrat sehen. Dazu müsste er sie an aussichtsreicher Stelle auf die Bundesliste für die kommende Nationalratswahl setzen, die der rote Parteivorstand am 26. April beschließen will.

Kompromisslos gegen Kanzler

Für Blaha wäre es ein Comeback. Bekannt ist sie einst geworden, als sie der SPÖ den Rücken kehrte. Vor 17 Jahren hatte die Wienerin, damals Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) und der sozialistischen Studentinnen, aus Protest ihr Parteibuch abgelegt: Um sich von der ÖVP zum Kanzler wählen lassen zu können, hatte Alfred Gusenbauer sein Wahlversprechen einer Abschaffung der Studiengebühren aufgegeben. Sein Einknicken habe "eine ganze Generation an politisch engagierten Leuten zerstört", befand Blaha.

Dass sie derart kompromisslos reagierte, erklärt sich auch aus ihrer Biografie. Als zweites von sieben Kindern war sie in keineswegs einfachen Familienverhältnissen aufgewachsen. Das Geld, um sich ein Studium leisten zu können, kratzte sie aus einem Stipendium, der Kinderbeihilfe und erteilten Nachhilfestunden zusammen. Nebenbei kümmerte sie sich um ihren jüngeren Bruder, den sie zu sich in die Gemeindewohnung in der Schöpfwerk-Siedlung im Bezirk Meidling genommen hatte. Aus solch einer Erfahrung heraus wirkte das Abgehen vom Prinzip des freien Hochschulzugangs wie Verrat.

Vorbehalte in der Partei

Babler kam nicht als Erster auf den Gedanken, die studierte Germanistin zurück ins Boot zu holen. Sein Vorvorgänger Christian Kern, der bislang letzte SPÖ-Kanzler, hatte 2016 überlegt, sie zur Direktorin des Renner-Instituts zu machen.

Dass der Parteiakademie damals ausgerechnet Gusenbauer als Präsident vorsaß, sei nicht das Problem gewesen, erzählt ein Zeitzeuge. Vorbehalte seien jedoch von anderer Seite laut geworden. Ehemalige Gleichgesinnte hätten Blaha angekreidet, dass sie mit ihrem Austritt Mitstreiter in der Partei im Stich gelassen habe. Und auch manch namhafter Funktionär, der unerschütterliche Loyalität als oberstes Gebot begreift, habe Bedenken angemeldet. Die Sache zerschlug sich. Mit Maria Maltschnig wurde eine andere, ebenfalls nicht unkritische Kandidatin Leiterin des Renner-Instituts.

Hürden für Rückkehr

Wenn es nicht noch eine überraschende Wendung gibt, dann dürfte aus der Rückholaktion auch diesmal nichts werden. Blaha liegt das maßgeblich von ihr selbst aufgebaute Momentum-Institut samt angeschlossenem Onlinemedium am Herzen. Ein Abgang der medial präsenten Galionsfigur würde die Denkfabrik schwächen, eine Doppelfunktion wiederum die Glaubwürdigkeit ramponieren. 1,37 Millionen von insgesamt zwei Millionen Euro an Einnahmen lukrierte das Momentum-Institut 2023 laut Jahresbericht zwar aus Förderungen der Arbeiterkammer und einer unter dem Label Solidarität firmierenden Privatstiftung des Gewerkschaftsbunds (ÖGB). Doch eine Nationalratsabgeordnete auf rotem Ticket als Leiterin wäre wohl zu viel der politischen Nähe.

Auf STANDARD-Anfrage legt sich Blaha nun fest. "Das Momentum-Institut leistet großartige Arbeit, es gibt nach wie vor genug zu tun", sagt sie. "Ich werde bei der kommenden Wahl ganz sicher nicht für den Nationalrat kandidieren." (Gerald John, 16.4.2024)