Hans-Jörg Jenewein und Herbert Kickl
Hans-Jörg Jenewein (links) verließ nach internen Turbulenzen die FPÖ. Während seiner Zeit als blauer Fraktionsführer im BVT-U-Ausschuss hatte er einen guten Draht zum Kabinett von Ex-Innenminister Herbert Kickl (rechts).
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Bislang unbekannte Chats zwischen dem früheren FPÖ-Sicherheitssprecher Hans-Jörg Jenewein und einer Mitarbeiterin im Kabinett Kickl zeigen, wie eng die Spitze des damaligen Innenministeriums und der blaue Klub ab 2018 rund um die BVT-Affäre kooperiert haben. Und sie führten zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, weil geheime Dokumente weitergegeben worden sein sollen.

Die Ausgangslage: Der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl war Ende Dezember 2017 als Innenminister angelobt worden. Zwei Monate später führte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) unter Druck und Hilfe des Teams Kickl eine Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) durch. Mehrere Beamte wurden suspendiert, darunter BVT-Direktor Peter Gridling.

Rasch setzte die Opposition damals einen U-Ausschuss zur Causa ein. Blauer Fraktionsführer wurde Sicherheitssprecher Jenewein, der die umstrittene Razzia verteidigen und frühere Missstände im BVT offenlegen sollte.

Video: Neos: Ott versprach FP-Jenewein Wirecard-Job.
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Ein vermuteter "Modus Operandi"

Die Fraktionen im U-Ausschuss erhielten eine Vielzahl von Dokumenten, darunter auch Ermittlungsakten. Diese waren allerdings mit einem Wasserzeichen geschützt. Um die Weitergabe von Akten und deren teilweise Veröffentlichung in Medien zu ermöglichen, benötigte Jenewein eine Version ohne Wasserzeichen. Die bestellte er offenbar immer wieder bei einer Mitarbeiterin des Kabinetts Kickl.

Die Ermittler sprechen von einem "Modus Operandi", dem zufolge Jenewein "klassifizierte Dokumente" verlangte, die zwar dem U-Ausschuss vorlagen, aber "nicht der breiten Öffentlichkeit zugänglich waren". Die Beamte im Kabinett Kickl habe somit das Amtsgeheimnis verletzt, zumal ihr bewusst gewesen sein soll, dass die Akten schlussendlich bei Journalistinnen und Journalisten landen würden. Immer wieder fragte Jenewein an, die Mitarbeiterin sagte zu, einmal etwa per "Schick ich dir".

Die Chats offenbaren auch Einblicke, wie zumindest Jenewein und die Kabinettsmitarbeiterin über Vorgänge rund um die BVT-Affäre gedacht haben. Mit der Arbeit von Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber, über den quasi die BVT-Ermittlungen vorangetrieben wurden, scheint man nicht besonders zufrieden gewesen zu sein.

Razzia wegen Kontakten zu Egisto Ott

Außerdem legen die Chats nahe, dass man Auskunftspersonen vor ihrer Aussage im U-Ausschuss briefen wollte, etwa die einstige BVT-Mitarbeiterin Ria Peterlik oder den Ex-BVT-Abteilungsleiter Martin Weiss, der damals schon für Wirecard-Manager Jan Marsalek arbeitete. Mittlerweile gehen Ermittler davon aus, dass Weiss, Marsalek und ein weiterere Ex-Verfassungsschützer namens Egisto Ott eine "nachrichtendienstliche Zelle" gebildet hatten, die für Russland spionierte. Jenewein plante offenbar noch im Jahr 2019 einen Termin mit Weiss, den er für sehr "kompetent" halte.

Wegen seiner Kontakte zu Ott, gegen den seit 2017 wegen mutmaßlicher Spionage für Russland ermittelt wird, war es im Herbst 2021 zu einer Hausdurchsuchung bei Jenewein gekommen. Ermittler vermuten, die FPÖ habe Ott für Informationen aus dem BVT bezahlt, die Partei bestreitet das vehement.

Jenewein äußerte sich dazu in einer Einvernahme jedenfalls nicht weiter. Ermittler fragten den damaligen Freiheitlichen, ob er jemals Gelder oder sonstige Zuwendungen an Ott übergeben habe. Jenewein antwortete, dass er sich zu den Vorwürfen gegen ihn einmal schriftlich äußern werde. Ob es je dazu kam, ist allerdings offen.

Ebenso wortkarg blieb Jenewein, als er mit zwei pikanten Signal-Nachrichten an Ott konfrontiert wurde. "Und ab März/April beginnt die bvt Umstrukturierung! Und Du wirst da jedenfalls mit dabei sein!!!", schrieb Jenewein im Jahr 2019 an Ott, also fast ein Jahr nach der BVT-Affäre. "Wir werden für alle, die da mitgeholfen haben, eine gute Lösung finden." Ebenso soll Jenewein Ott nicht nur die Möglichkeit gegeben haben, an Fragen für Auskunftspersonen im BVT-U-Ausschuss mitzuwirken, sondern auch an parlamentarischen Anfragen der FPÖ zu tüfteln.

Jenewein, der 2019 aus dem Nationalrat ausschied und im Sommer 2022 nach internen Turbulenzen die FPÖ verließ, will sich zu einem laufenden Verfahren nicht äußern und auch die einstige Mitarbeiterin des Kabinetts Kickl wollte keine Stellungnahme abgeben. Von der Staatsanwaltschaft (StA) Wien hieß es, das Verfahren laufe. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Kickl selbst hat zuletzt vor dem U-Ausschuss betont, dass Jenewein nicht seine "rechte Hand" gewesen sei. (Fabian Schmid, Jan Michael Marchart, 15.4.2024)