"Die 'Devisenfabriken' wachsen. Immer mehr Industrieobjekte werden mit den investierten Mitteln unserer Leute im Ausland errichtet", so lautete der Titel eines Artikels am 25. Oktober 1975 in Politika, der seinerzeit führenden jugoslawischen Tageszeitung. Zwei Monate später berichtete Ekspres politika von einer solchen Initiative aus der Teilrepublik Makedonien. Im Dorf Capari, unweit der Stadt Bitola am Fuße des Berges Pelister gelegen, errichteten "Rückkehrer eine Fabrik". Mit Investitionen von mindestens 50.000 Dinar, die bei einer Bank für wenigstens fünf Jahre eingelegt werden mussten, konnten sich die Migranten einen Arbeitsplatz für ein Familienmitglied in einer geplanten Textilfabrik kaufen.

Bau der Textilfabrik Pelister, Capari, 1975
Bau der Textilfabrik Pelister, Capari, 1975.
Jove Misevski

Die Familie Apostolski*, mit der wir kürzlich in Capari sprechen konnten, ist ein Beispiel: Mitko* war 1965 nach Australien gegangen, um dort auf diversen Baustellen zu arbeiten (aus Capari migrierten die Leute traditionell nach Australien oder Amerika, wie man auch an den massiven Häusern erkennen kann, die von Rückkehrern erbaut wurden). Seine junge Frau Bojana* kam mit ihm, hielt das australische Wetter aber nicht aus und kehrte zurück. Mitko investierte 3.500 Australische Dollar, damit seine Frau in der Textilfabrik – genannt "Pelister" – eine Anstellung erhielt; sie sollte dort bis zu ihrer Pensionierung arbeiten.

Gastarbeiter als Investoren

Die Initiative in Capari umfasste das gesamte Dorf: Die Dorfgemeinschaft gab Land für die Betriebsansiedlung und baute eine Straße; ein Jahr später öffnete die Fabrik und gab rund 200 Frauen in einer Gegend Beschäftigung, um die bis dahin die Industrialisierung einen weiten Bogen gemacht hatte. Ekspres politika konstatierte 1975 noch, dass "viele Häuser leerstehen", aber das sollte sich ändern. Dank der Initiative der Arbeitsmigranten blühte das Dorf regelrecht auf, die Einwohnerzahl wuchs wieder: Ein großes Gemeindezentrum mit Kino- und Theatersaal entstand, es gab ein Restaurant, einen Lebensmittelladen, eine Bäckerei und eine große Schule; im Ortszentrum wurde ein "Erinnerungspark" eingerichtet, der nicht nur der lokalen Partisanen gedachte, sondern auch der Kämpfe im Ilindenaufstand 1903, der als Ausdruck des Bestrebens der Makedonier nach nationaler Emanzipation gilt.

Heute sind diese Einrichtungen Geschichte, die meisten Häuser stehen wieder leer. Wie so viele andere Dörfer in Nordmazedonien erlebte Capari eine dramatische Abwanderung – die Bevölkerung sank von fast 2.000 Anfang der 1980er auf rund 300 heute. Und das, obwohl die Textilfabrik nach wie vor in Betrieb ist; nur reichen die Arbeitskräfte im Dorf nicht mehr aus, drei Schichtbusse bringen Arbeiterinnen aus Bitola und umliegenden Dörfern nach Capari.

Capari (Nordmazedonien), ehemaliges Gemeindeamt, 2024
Capari (Nordmazedonien), ehemaliges Gemeindeamt, 2024.
Ulf Brunnbauer

In Jugoslawien gab es über die gesamte Föderation verteilt mehr als 20 solcher "Devisenfabriken", die mit den Ersparnissen der Arbeitsmigranten errichtet oder erweitert wurden. Sie stellten einen originellen Versuch dar, eines der Strukturprobleme des Landes zu lösen: Es gab zu wenige Arbeitsplätze, weshalb viele der "Gastarbeiter" ihren Rückkehrwunsch immer weiter aufschoben, zumal sich Rückkehrer, die jahrelang im Ausland gewesen waren, besonders schwertaten, eine Beschäftigung zu finden. Ihnen fehlte eine wichtige Währung: Verbindungen (veze auf Serbokroatisch). Archivdokumente sind voll von Klagen von Rückkehrern über lokale Bürokraten, die diese auf dem lokalen Arbeitsmarkt diskriminierten.

Capari (Nordmazedonien), ehemalige Bäckerei, 2024
Capari (Nordmazedonien), ehemalige Bäckerei, 2024.
Ulf Brunnbauer

Einige Gastarbeiter (man schätzt rund 40.000, die im Schnitt rund 5000 Deutsche Mark investierten) entschieden sich also, die Sache in die eigene Hand zu nehmen und mit ihrem Ersparten Arbeitsplätze für sich oder Familienmitglieder zu schaffen. Von der Regierung und den Migrationsexperten wurden diese Initiativen als wichtiger Beitrag "von unten" zur Erreichung des proklamierten, aber nie erreichten Hauptziels der jugoslawischen Wirtschaftspolitik gepriesen: "Entwicklung" (razvoj). Insofern stehen die "Devisenfabriken" für eine Debatte, die in Südosteuropa aktueller nicht sein könnte: Kann Abwanderung auch positive ökonomische Impulse für die von ihr betroffenen Regionen produzieren, oder profitieren doch nur die Zuwanderungsländer, während die Senderegionen ihr Humankapital verlieren?

Migration und Entwicklung

Jugoslawien war das einzige staatssozialistische Land, das seinen Bürgerinnen und Bürgern die Arbeitsaufnahme im Ausland ohne große Einschränkungen erlaubte. Die Regierung entschied sich dazu 1963/64 vornehmlich aus ökonomischen Motiven. Dies waren die Jahre, in denen marktorientierte Wirtschaftsreformen in Jugoslawien zu Kündigungen und geringerem Wirtschaftswachstum führten. Arbeitslosigkeit wurde in Jugoslawien zu einem wachsenden, ungelösten Problem (auch das im Übrigen ein Unikum unter den sozialistischen Ländern, den anderswo herrschte das gegenteilige Problem: Arbeitskräfte waren knapp).

Die kommunistische Regierung ging davon aus, dass die Wirtschaftskrise bald überwunden werden würde – genau dazu sollten die Reformen ja dienen –, und bis dahin sollte Arbeitslosigkeit quasi in die Länder Westeuropas exportiert werden, die gerade ihr Wirtschaftswunder erlebten. Die Regierung ist aufgrund von Expertenprognosen davon ausgegangen, dass die "Gastarbeiter" viel Geld in ihre Heimatländer schicken würden, da ihre Familien meistens noch dort lebten. Und wenn sie dann nach ein paar Jahren zurückkehren – die Idee der Rückkehr war eine zentrale Säule der offiziellen Migrationspolitik –, würden sie neue Fertigkeiten mitbringen, die für die ökonomische Entwicklung Jugoslawiens von Nutzen sein werden.

Von diesen Erwartungen erfüllte sich nur eine: Die Arbeitsmigrantinnen und -migranten schickten in der Tat viel Geld nach Hause. Nach Zahlen der Jugoslawischen Nationalbank machten sogenannte Rimessen zum Beispiel im Jahr 1980 über vier Milliarden Dollar aus, fast ein Viertel der gesamten Deviseneinnahmen des notorisch klammen Jugoslawiens. Damit floss von den Gastarbeitern mehr Geld ins Land, als die zahlreichen Touristen nach Jugoslawien brachten. Zum Leidwesen von Wirtschaftsplanern und Migrationsexperten verausgabten die Migranten und ihre Familien diese Ersparnisse aber so, wie das Migrantenfamilien überall auf der Welt zumeist tun: Sie verbesserten ihren Lebensstandard, indem sie neue Häuser bauten, sich moderne langlebige Konsumgüter zulegten und es sich eben gutgehen ließen, wenn sie mal auf Heimaturlaub waren, denn in Österreich, Deutschland, und wo auch immer sie gelandet waren, mussten sie vor allem hart schuften.

Einige Experten beklagten, dass sich die Migranten "viel zu große Häuser" bauten, die die meiste Zeit leer stünden. In Dörfern mit vielen Gastarbeitern wurde eine regelrechte "Übertraktorisierung" konstatiert, obwohl die Höfe so wenig Land besaßen, dass nicht jeder Landwirt seinen eigenen Traktor brauchte. Aber ein neuer Traktor wurde zum Statusobjekt, ebenso wie das deutsche Auto (idealerweise ein Mercedes). Ja, die Einkünfte aus Migration erhöhten sogar die Importe aus den Zielländern und verschlechterten damit die ohnehin ständig negative Handelsbilanz Jugoslawiens.

Vom Nutzen und Schaden der Abwanderung

In sogenannte "produktive" Zwecke floss hingegen nur ein kleiner Teil der Ersparnisse, weshalb sich die erhofften Entwicklungseffekte nicht einstellten. Die Devisenfabriken wurden als Beispiel der Heimatverbundenheit der Gastarbeiter gepriesen, aber waren nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein des Mangels an Investitionsmitteln. Zumal sie mehr einem sozialen denn ökonomischen Zweck dienten. Und in die Privatwirtschaft wollten viele Migranten nicht investieren, denn zu groß waren die rechtlichen Beschränkungen für diese im sozialistischen Jugoslawien.

Wie zeitgenössische Experten feststellten, sahen lokale kommunistische Kader in der Privatwirtschaft eine große Gefahr für das System. Rückkehrer eröffneten zwar Lokale und kleine Hotels, und einige betätigten sich mit ihren aus dem Ausland mitgebrachten Fahrzeugen als Taxi- oder Lkw-Unternehmer, aber alles geschah im Kleinstformat und ohne technologische Impulse zu kreieren.

Jugoslawische Ökonomen erstellten eine pessimistische Bilanz: Wenn man die Kosten für Schulbildung und Berufsausbildung eines jeden/einer jeden jugoslawischen Gastarbeiters/Gastarbeiterin ebenso wie den Devisenabfluss für den Kauf westlicher Konsumprodukte berücksichtigt, dann waren auf der jugoslawischen Seite die Kosten höher als der Nutzen; bei den westlichen Zielländern (mit der Bundesrepublik Deutschland als wichtigstem, gefolgt von Österreich) verhielt es sich hingegen umgekehrt. Die Gastarbeiter aus Jugoslawien schufen also Mehrwert im kapitalistischen Ausland, aber "Minderwert" in ihrer Heimat – für ein Regime, das den Arbeiterinnen und Arbeitern das Paradies auf Erden versprochen hatte, ein fataler Befund.

Von den mehr als 20 Devisenfabriken überlebten wohl nur vier (eine in Slowenien, eine in Bosnien-Herzegowina, eine in Serbien und eine in Nordmazedonien). Das zugrunde liegende Problem hat sich aber ein halbes Jahrhundert nach der Eröffnung der ersten Devisenfabrik – 1973 im kroatischen Aržano – nicht fundamental verändert: Bis auf Slowenien sind die Länder des ehemaligen Jugoslawien (und eigentlich ganz Südosteuropas mit der Ausnahme Griechenlands) auch heute von massiver Auswanderung gekennzeichnet.

Die Annäherung an die beziehungsweise die Mitgliedschaft in der EU dynamisiert diese Bewegung sogar, da damit Migrationsbeschränkungen wegfallen. Deutschland rekrutiert heute über die sogenannte Westbalkanregelung sogar systematisch Arbeitskräfte aus der Region, zum Beispiel medizinisches Personal. Die finanziellen Rückflüsse von den Migrantinnen und Migranten sind massiv – im Kosovo machen Rimessen 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Dieses Geld verhindert Armut und hilft, das eine oder andere Unternehmen zu gründen.

Nur der Wohlstandsabstand zum Westen wird dadurch nicht reduziert; vielmehr ist die Abwanderung zum Entwicklungshindernis geworden: Es fehlen auf dem Balkan zunehmend Arbeitskräfte, zumal aufgrund von Perspektivlosigkeit sowie Frustration über Korruption und Klientelismus gutausgebildete, ambitionierte junge Menschen sich oft zur Auswanderung entscheiden. Wie vor einem halben Jahrhundert ist die Region in einen ungleichen Tausch mit den Wohlstandszentren von Europa eingebunden. Das ist die europäische Migrationsdebatte, die wir führen sollten. (Ulf Brunnbauer, Sara Žerić, 16.4.2024)