Wenn die Gesellschaft passt und das Helle fließt, machen sich wohl die wenigsten Gedanken darüber, ob das Bier in ihrer Hand aus einer privaten oder einer von einem Konzern betriebenen Brauerei stammt. Wem das alles andere als egal ist, ist der Verein der Unabhängigen Privatbrauereien Österreichs. 2021 haben sich zehn Brauereien in Privatbesitz zusammengeschlossen – darunter Egger, Ottakringer und Stiegl. Heute zählt der Verein 46 Mitglieder.

Der Zweck: Sie wollen der Gegenpol zu Bierkonzernen wie der Heineken-Gruppe sein, die Mehrheitseigentümerin der hiesigen Brau-Union und damit Inhaberin von vermeintlich österreichischen Marken wie Gösser, Zipfer oder Wieselburger ist.

Tobias Frank ist technischer Geschäftsführer und erster Braumeister der Ottakringer Brauerei, eines der Gründungsmitglieder des Zusammenschlusses. Beschaulicher Familienbetrieb ist das Unternehmen natürlich keiner. Die Ottakringer Brauerei GmbH ist ein Tochterunternehmen der Ottakringer Getränke AG, die 100 Prozent der Anteile an der Brauerei hält. Die Getränke AG gehört wiederum zur Ottakringer Holding AG, welche im Besitz der österreichischen Familien Wenckheim, Menz, Trauttenberg und Pfusterschmid ist. Familien- bzw. Privatbesitz liegt also vor, aber auf andere Weise, als man sich das landläufig vielleicht vorstellt.

In der Ottakringer Brauerei, einer der Mitgründerinnen des Vereins Unabhängiger Privatbrauereien Österreichs, fungiert Tobias Frank als technischer Geschäftsführer und erster Braumeister.
Ottakringer Brauerei

STANDARD: Der Verein der Privatbrauereien bezeichnet sein eigenes Bier gern als "authentisch". Was heißt das?

Frank: "Authentisch" steht dafür, dass die Konsumenten genau wissen, in welcher Brauerei das Bier hergestellt wurde. Dass Ottakringer aus Wien kommt und nicht irgendwo anders gemacht wird. Internationale Konzerne vergeben Lizenzen, mit denen man ihr Bier dann überall auf der Welt nach demselben Rezept brauen kann. Außerdem sind Privatbrauereien, wie der Name eh schon sagt, privat- oder sogar familiengeführt, wie wir auch. Bei den internationalen Playern weiß man nie so genau, wo das Betriebsergebnis hingeht. Das muss man immer noch dreimal hinterfragen.

STANDARD: Es wirkt so, als würden die Privatbrauereien einerseits privat bleiben wollen, um selber zu entscheiden, wo es langgeht. Andererseits wird die Wertschöpfung erwähnt, die durch ihre Betriebsweise im Land bleibt. Geht es eher um Autonomie oder den Einsatz für die heimische Wirtschaft?

Frank: Es geht um beides. Das sind zwei zentrale Aspekte und damit sind sie gleich wichtig. Wir kaufen über drei Viertel der Rohstoffe regional ein, das heißt für uns in Österreich. Aber auch Dienstleistungen beziehen wir im Inland. Außerdem beschäftigen wir Handwerker wie Dachdecker oder Schlosser aus der Gegend. Das Thema Wertschöpfung heißt für uns, dass alles, was bei uns vorgeht, möglichst im Land bleiben soll. Wichtig ist aber auch, dass wir selbst bestimmen können, was in der Brauerei passiert. Wenn wir morgen ein Zwickel machen oder auf Bio umstellen wollen, dann tun wir das und brauchen nicht lange zu fragen. Das wird nicht in Holland, Belgien oder England über unseren Kopf weg entschieden.

STANDARD: Bei Bieren aus Großkonzernen ist der Preis, um den die Halbe im Geschäft steht, globalen, oft obskuren Faktoren unterworfen. Im Februar dieses Jahres vermeldete der ORF Oberösterreich beispielsweise, dass aufgrund von Umsatzeinbußen in Vietnam und Nigeria Brau Union-Bier hierzulande teurer werden wird. Wie läuft das mit der Preisgestaltung bei den Privatbrauereien?

Frank: Absprechen dürfen wir uns natürlich nicht, das verbietet das Kartellrecht. Den Preis gestaltet also jede Brauerei für sich. Wir versuchen aber gemeinsam, uns in Handel und Gastronomie als Gegenpol zum Konzernbier zu behaupten, das in Österreich mit 60 Prozent Marktanteil führend ist. Aufpassen muss sich der Handel da allerdings schon. Sollte der Marktanteil noch größer werden, geben nämlich irgendwann die Konzerne den Ton an. Da wird oft kurzsichtig gedacht, aber das ist nicht unser Problem.

Österreich ist ein Land der Biertrinker und -trinkerinnen. Bier von Konzernen wie der Heineken-Gruppe ist mit 60 Prozent Marktanteil führend.
Bazzoka

STANDARD: Als erster Braumeister sind Sie Experte für das Bier selbst. Gibt es Qualitätsunterschiede zwischen Konzern- und Privatbier?

Frank: Qualität ist immer subjektiv, und es kommt auch darauf an, wer es wo konsumiert und wie frisch oder gekühlt das Bier ist. Die Qualität an sich ist schwer messbar. Da Privatbrauereien selbst entscheiden, welche Bierstile sie machen, wo sie die Rohstoffe kaufen und wie sie diese kombinieren, glaube ich schon, dass es charaktervollere Biere sind als beispielsweise ein Märzen von einem Konzern. Das ist qualitativ auch einwandfrei, und die Braumeister dort sind gut ausgebildet, die persönliche Note kommt bei unabhängig Gebrautem aber sicher besser zur Geltung.

STANDARD: Der Verein der Unabhängigen Privatbrauereien Österreichs wurde erst vor zweieinhalb Jahren gegründet. Produkte von Mitgliedern werden seither mit einem speziellen Siegel gekennzeichnet. Wissen Konsumentinnen und Konsumenten, welche Biere zu Konzernen gehören und welche nicht?

Frank: Man sagt ja gern, man muss jemandem etwas neunmal erzählen, damit er es sich merkt. Die neuesten Zahlen aus unserer Marktforschung zeigen, dass rund 18 Prozent der potenziellen Käufer das Siegel kennen. Das ist ein guter Anfang, aber nicht genug. Allgemein ist es in Österreich aber einfach schwierig, den Unterschied zu erkennen.

STANDARD: Warum?

Frank: Die meisten Brauereien kommen aufgrund ihres Namens sehr regional daher, bei Ottakringer Bier denkt man ja auch direkt an den Wiener Bezirk. Brauereien, die zur Heineken-Gruppe gehören, verkaufen sich eben regional. Und das mit Erfolg. Den Namen assoziiert man dann mit einer kleinen österreichischen Dorfbrauerei. In Wahrheit handelt es sich um eine riesige Braustätte, in der auch Konzernbier gebraut wird, das nichts mit der Gegend zu tun hat. Rein vom Namen her kann man das nicht unterscheiden, weil er nichts darüber verrät.

STANDARD: Welche Entwicklung erwarten die Privatbrauereien in den nächsten Jahren?

Frank: Vor allem nach der Pandemie sind viele Brauereien stark angeschlagen, einigen geht's momentan richtig schlecht. Die Teuerung bei Energie und Rohstoffen können wir nicht komplett an die Endkunden weitergeben, da müssen wir eher mit Effizienzsteigerung oder wenig bis keinem Betriebsergebnis in den sauren Apfel beißen. Da tun sich private Brauereien, gerade kleine, besonders schwer. Die Gastronomie ist auch schwer am Kämpfen, was den Brauereien schadet. Wir rechnen also damit, dass der Wettbewerb nicht lustiger, der Druck nicht weniger wird. Und sonst hoffen wir natürlich, dass unsere Sichtbarkeit steigt. (Nina Schrott, 16.4.2024)