E-Zigarette Frau raucht
E-Zigaretten gelten als weniger gefährlich als herkömmliche Glimmstängel, aber die Forschungslage ist dürftig.
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Zigaretten sind ungesund, das weiß mittlerweile jeder. Abgesehen von schweren Krankheiten sind die Glimmstängel laut Gesundheitsministerium in Österreich kausal für rund 16 Prozent aller Todesfälle verantwortlich. Doch wie steht es um die als vergleichsweise harmlos geltende Alternative, die E-Zigaretten? Eine Studie des Instituts European Translational Oncology Prevention & Screening (EUTOPS), das von der Universität Innsbruck und dem Land Tirol gegründet wurde, hat nun beunruhigende Hinweise gefunden. Das Fazit: Mit Krebs assoziierte Zellveränderungen sind auch bei Konsumenten von E-Zigaretten feststellbar, die früher nicht oder kaum geraucht hatten.

4.000 Proben untersucht

Die umfangreiche Studie, die Mitte März in der Fachzeitschrift "Cancer Research" erschien, basiert auf den Daten von rund 4.000 Blut-, Mundschleimhaut-, Gebärmutterhals-, sowie Lungengewebeproben. Jeder Probe waren zudem anonymisierte Gesundheitsmerkmale, Krankheitsgeschichten und auch Informationen zum Rauchverhalten zugeordnet. Die Forscher haben insbesondere Veränderungen des Epigenoms untersucht, speziell der sogenannten DNA-Methylierung. Darunter versteht man strukturelle Veränderungen der Erbsubstanz von Zellen durch Übertragung von Methylgruppen auf DNA-Basen mithilfe von Enzymen.

Dadurch werden bestimmte Bereiche der DNA unterdrückt und können nicht mehr abgelesen werden, was zur Folge hat, dass es zu keiner Genexpression kommt. DNA-Methylierung ist ein natürlicher Prozess, der durch Faktoren wie Alterung, Ernährung oder Umweltfaktoren ausgelöst wird. In ihrer Studie haben die Innsbrucker Forscher untersucht, wie sich der Konsum von klassischen und E-Zigaretten auf die DNA-Methylierung in Zellen auswirkt.

"Dass Rauchen die DNA-Methylierung verändert, war zwar schon bekannt", sagt Chiara Herzog, wissenschaftliche Mitarbeiterin am EUTOPS-Institut und Erstautorin der Studie. "Aber bisher hat man meist nur Blutproben untersucht. Wir haben zum ersten Mal Gewebe- und Zelltypen angeschaut und sind darauf gestoßen, dass nicht jede Zelle gleich auf das Rauchen reagiert, sondern es zellspezifische Veränderungen gibt."

Zigarettenrauch
Die Annahme, dass der E-Zigaretten-Rauch wirklich so viel gesünder ist, kommt wissenschaftlich gerade in Bedrängnis.
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Zigaretten vs. E-Zigaretten

Die Forschenden stellten beispielsweise fest, dass Personen, die zwar nie oder fast nie Zigaretten geraucht haben, aktuell aber E-Zigaretten konsumieren, ganz ähnliche Veränderungen in den Zellen der Mundschleimhaut aufweisen wie Menschen, die Zigaretten rauchen. Diese Veränderungen sind mit dem Auftreten von Krebs verbunden, weil sie auf der DNA der Zelle ein prokarzinogenes Programm "anschalten". Solche Veränderungen findet man auch in tatsächlich mit Krebs erkranktem Gewebe.

"Das ist kein kausaler Beweis, dass diese Veränderungen wirklich Krebs auslösen", schränkt Herzog ein. "Aber sie sind eventuell mit bevorzugtem Zellwachstum assoziiert." Um einen kausalen Zusammenhang zu überprüfen, sind laut Herzog weitere Studien nötig, sagt Herzog. Grundsätzlich sei die Forschungslage zu E-Zigaretten aber noch zu dürftig, um eindeutige Schlussfolgerungen zu ziehen.

E-Zigaretten Geschmacksrichtungen Regal
Der Markt für E-Zigaretten in allen möglichen Geschmacksrichtungen ist riesig.
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Es ist den Forschenden jedoch gelungen, aus Zellproben mittels computergestützter Analysen mit mehr als 90-prozentiger Treffsicherheit abzuleiten, ob der Spender Zigaretten oder E-Zigaretten raucht, früher einmal geraucht oder niemals geraucht hat. Das könnte in Zukunft klinisch relevant sein. Denn vielleicht wird es dadurch einmal möglich sein, mittels eines simplen Mundschleimhautabstrichs das individuelle Erkrankungsrisiko eines Patienten oder einer Patientin zu ermitteln.

Teils umkehrbarer Prozess

Im Allgemeinen ist DNA-Methylierung ein umkehrbarer Prozess, betreffende DNA-Stellen können durch andere Enzyme, sogenannte Demethylasen, wieder zum Ablesen "freigegeben" werden. Und auch bei durch Rauchen verursachten Veränderungen deutet eine noch unveröffentlichte Studie des EUTOPS-Instituts darauf hin: "Anhand der Daten von ehemaligen Rauchern haben wir gesehen, dass sich diese Veränderungen im Lauf der Zeit normalisieren", sagt Herzog. "Aber das passiert in verschiedenen Zelltypen unterschiedlich schnell."

Auch habe die Ähnlichkeit zwischen Zigarettenrauchen und dem Konsum von E-Zigaretten ihre Grenzen. Untersucht man beispielsweise die Mundschleimhaut von E-Zigaretten-Konsumenten, zeigt sich, dass zwar die Epithelzellen, die die Mundschleimhaut auskleiden, eine Veränderung der DNA-Methylierung erkennen lassen. Bei den ebenfalls in der Mundschleimhaut befindlichen Immunzellen ist das hingegen nicht der Fall. Bei Rauchern klassischer Zigaretten sind dagegen beide Zelltypen betroffen. "E-Zigaretten sind noch nicht sehr lange am Markt", meint Herzog. "Es braucht also noch mehr Forschung, um mögliche Langzeitfolgen des Konsums zu untersuchen", mahnt sie zur Vorsicht. (Raimund Lang, 24.4.2024)